Das Leben, Zimmer 18 und du by Salchow Nancy

Das Leben, Zimmer 18 und du by Salchow Nancy

Autor:Salchow, Nancy
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Heyne
veröffentlicht: 2017-02-14T12:52:56+00:00


Es war nicht geplant, und doch scheint mir die Lösung in diesem Moment ganz nah. Er kennt ihn. Dieser Mann kennt ihn. Ganz sicher!

Nur wenige Meter vom Kaffeeautomaten entfernt fällt er mir ins Auge: schmächtig, eingefallenes Gesicht, glasiger Blick.

Ja, so stellt man sich einen Patienten auf der Abhängigkeitsstation vor. Zumindest er erfüllt das Klischee.

Auf hageren Beinen steht er auf dem Flur neben der Stationstür und hält sich an einem Kaffeebecher fest. Ich kann sein Alter schwer schätzen. Vielleicht ist er sechzig, vielleicht Mitte vierzig. Die Sucht scheint die Spuren der Zeit verwischt und ihren eigenen prägnanten Abdruck hinterlassen zu haben.

Mitgefühl schleicht sich in meine Sinne. Ob er zum ersten Mal hier ist?

»Entschuldigung.« Noch während ich darüber nachdenke, ihn anzusprechen, stehe ich auch schon neben ihm. »Bis gestern früh war noch ein Patient auf eurer Station. Ich kenne leider nur seinen Vornamen. Bastian. Weißt du vielleicht, wie er mit vollem Namen heißt und wo er wohnt?«

»Basti?« Er runzelt die Stirn. »Ja, den kenn ich. Aber wie er mit Nachnamen heißt? Keine Ahnung.«

»Engermann«, ruft mir eine Stimme von der Seite zu. »Er heißt Bastian Engermann.«

Irritiert drehe ich mich um. Hinter mir, auf der Sitzreihe, die ich selbst in den letzten Wochen so oft als Aussichts-, Ruhe- und Treffpunkt auserkoren habe, sitzen zwei Frauen, die offenbar von derselben Station kommen.

»Bist du sicher?«, frage ich die Frau, die in meine Richtung blickt, während ich langsam näher komme.

»Absolut sicher. Er wohnt in einem kleinen Ort in der Nähe von Wismar. Aber über seinen Namen müsstest du ihn sicher finden.«

»Das wäre ja prima!«, antworte ich. »Wir haben uns ein paarmal nett unterhalten, und ich würde ihm gerne schreiben.«

»Na dann!« Die andere lächelt mir zu. »Viel Glück bei der Suche!«

»Danke.«

Ich unterdrücke den Drang, augenblicklich loszurennen, um auf meinem Netbook nach ihm zu googeln. Den Weg bis zur Station bringe ich geradezu schleichend hinter mich, doch als die Tür hinter mir ins Schloss fällt, beginne ich instinktiv zu laufen.

Sollte es wirklich so einfach sein, ihn zu finden?

Hastig knalle ich die Zimmertür hinter mir zu. Während ich mich auf mein Bett werfe und meinem Netbook beim Hochfahren zuschaue, stelle ich erleichtert fest, dass ich alleine bin. Keine Lana. Sicher strickt sie wieder mal im Aufenthaltsraum.

Als sich die ersehnte Webseite öffnet und ich seinen Namen eingebe, setzt mein Herz für einen Moment aus.

Tatsächlich. Das ist er. Ein Foto, das seinem realen Aussehen in keiner Weise gerecht wird, sondern vielmehr ein Paradebeispiel dafür ist, wie egal es einem echten Mann zu sein scheint, ob er auf einem Bild gut rüberkommt. Ein beinahe schon grimmiger Blick zur Seite, der so gar nichts mit seiner aufgeschlossenen Art zu tun hat.

Trotzdem ist er es. Bastian. Kein Zweifel.

Freundschaftsanfrage?

Einen letzten blassen Moment lang zögere ich, bis der Cursor meiner Maus wie von selbst zum Button »Freund hinzufügen« wandert.

Ein Herzschlag.

Zwei.

Freundschaftsanfrage versendet.



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